Lieber Hermann Mecklenburg,

Ich schreibe dir diesen Brief aus der heutigen Perspektive, im Jahr 2023, und meine Gedanken sind erfüllt von tiefen Emotionen. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass auch Du einst ein Leben wie das eines gewöhnlichen Jugendlichen geführt hast, voller Träume, Hoffnungen und Freude.

Wenn ich über dein Leben nachdenke, sehe ich einen Jugendlichen aus Lübeck, der wie jeder andere in deiner Zeit war. Du hattest Freunde, Träume für die Zukunft und wahrscheinlich auch kleine alltägliche Sorgen. Doch dieses normale Leben wurde von den schrecklichen Ereignissen während des Nationalsozialismus unterbrochen und dann während des Holocausts abrupt beendet.

Es bricht mir das Herz zu denken, wie Du, ein Jugendlicher, in eine Zeit des Schreckens und der Verfolgung geriet, die du es dir niemals hättest vorstellen können. Du wurdest aus deinem Zuhause gerissen, von deiner Familie getrennt und in eine Welt des Grauens gestoßen.

Aber wieso? Es ist und bleibt einfach unvorstellbar. Wir haben uns alle schon so oft gefragt: „Wieso?“ und uns intensiv mit den vielen individuellen Schicksalen, wie deinem, befasst! Doch niemals haben wir eine Erklärung gefunden und werden es auch nie, die diese unbegreiflichen Taten rechtfertigen. Ich kann kaum in Worte fassen, was ich sagen möchte und ich kann und möchte mir nicht einmal annähernd ausmalen, was Du gespürt haben magst: Ungewissheit, Angst, Trauer, vielleicht auch Hoffnung. Einen Jugendlichen wie dich, aufgrund seines Glaubens einfach aus dem Leben zu reißen! So viele Menschen wie Schlachtvieh zusammenzutreiben und dann einfach zu vergasen.

Die Schrecken des Holocausts haben das Leben von so vielen unschuldigen Menschen wie deines für immer verändert. Die meisten sind ermordet worden, nur wenige haben es geschafft, zu überleben. Dir war es leider nicht vergönnt, weiter leben zu dürfen. Du durftest nur 15 Jahre alt werden. Ich bin bereits 16 – ich habe Dich schon um 1 Jahr überlebt. Diese Vorstellung bedrückt mich sehr.

Dein Schicksal und das von Millionen anderer Juden während dieser dunklen Zeit erfüllt uns mit Trauer und Entsetzen. Wir müssen uns daran erinnern, dass dies nicht nur eine historische Episode ist, sondern eine Tragödie, die das Leben von Menschen wie dir zutiefst beeinflusst hat.

In der heutigen Zeit setzen wir uns dafür ein, dass solche Gräueltaten nie wieder passieren, und wir kämpfen gegen Hass, Diskriminierung und Vorurteile. Wir gedenken dir und all der anderen Opfer des Holocausts, um sicherzustellen, dass ihre Geschichte und ihr Leiden nie in Vergessenheit geraten.

Deine Geschichte bewegt uns zutiefst, und wir tragen deine Erinnerung in unseren Herzen. Wir versprechen, dass deine Geschichte niemals vergessen wird, und wir setzen uns dafür ein, eine Welt des Friedens und der Menschlichkeit zu schaffen, in der solche Schrecken nie wieder geschehen können.

Ruhe in Frieden und möge deine Erinnerung für immer in unseren Herzen weiterleben.

 

Mit tiefer Trauer und Respekt,

Malisa, Q1

 

 

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